Viele hundert kleine Käsereien gibt es auf La Palma; eigentlich macht jeder Bauer der ein paar Ziegen hat, seinen eigenen Käse und versorgt seine Familie und die Nachbarschaft mit dem köstlichen „Queso blanco“, wie Ziegenkäse hier genannt wird. Auch auf der großen Nachbar-Insel Teneriffa ist der Käse von La Palma sehr beliebt. Geht es indes nach den strengen Ausführungen der neuen Hygieneauflagen, dann dürfen 90 Prozent der kleinen Produktionsstätten ihren Käse eigentlich gar nicht mehr zum Busbahnhof rollen. Sie dürfen überhaupt keinen Käse mehr machen, sondern müßten die Milch zur Milchverarbeitungsanlage bringen, die irgendwann einmal fertig ist. Es geht um zwei konkrete Punkte: Ein Reinraum muß her und fließendes Wasser, das vom Versorger als lebensmittelgerecht zertifiziert ist. Der Reinraum ist eine Kostenfrage, aber mit relativ wenig Aufwand zu erledigen; die Geschichte mit dem Wasser ist komplizierter, da viele Käsereien weit ab der „Zivilisation“ liegen und sich mit Quellwasser aus den Galerien versorgen. Jetzt versucht die Inselregierung angesichts dieses Käse-GAUs, das neue Gesetz inselkompatibel zu machen. Ein Gesetz aus Madrid - auf feines weißes Papier diktiert und wunderbare Phrasen aus EU-Richtlinien zitierend - ist hier in der Provinz schlichtweg nicht umsetzbar, zumindest nicht ohne drastische Veränderungen in der ländlichen sozialen Struktur. Einerseits fordert man lautstark die Erhaltung der ländlichen Zonen und kämpft gegen die Landflucht: auf der anderen Seite will man eine beachtliche Säule dieser strukturarmen Regionen verbieten: die Ziegenkäse-Produktion. Bei aller Vorsicht, die es beim Umgang mit solch einem empfindlichen Rohstoff wie Milch nun einmal zu beachten gibt: Wir sprechen hier von einem mehrere hundert Jahre alten Erwerbszweig, der ganz entscheidend zum Auskommen der Landbevölkerung beiträgt. Ganz davon abgesehen, daß auch die Verbraucher dann irgendwann nicht mehr die Wahl haben zwischen echtem Bauernkäse, der aus einer der vielen kleinen Käsereien kommt, sondern sich an zertifizierten Einheitskäse aus Fabrikhallen gütlich tun müssen. Dringend muß ein Kompromiß gefunden werden, der das Überleben der vielen Kleinstbetriebe ermöglicht. In der Vergangenheit ist es schon häufig geglückt, Gesetze so weit zu verändern, daß diese dann irgendwann auch auf den Inseln anwendbar waren. Denn was wissen die Bürokraten in Madrid oder Brüssel von unseren Möglichkeiten und von unserem Wasser: Mit solchen Gesetzen schafft man kein Stück mehr Hygiene, sondern radiert einen kompletten landwirtschaftlichen Sektor aus. Daß selbst im Mutterland der Hygienegesetze niemand davor geschützt werden kann, auf seiner Tiefkühlpizza Schlachtabfälle serviert zu bekommen, muß nur am Rande erwähnt werden: Schweinebären gibt es überall. Von schweren Gesetzestexten fast erschlagen, hört man kaum noch das Loblied vom „Europa der Regionen“ - kein Wunder, daß die Regionen von Europa nichts mehr hören wollen außer dem hellen Klang der Subventionen.