Eine Wissenschaftsstudie von britischen Forschern belegt, dass sich der Nordatlantikstrom, also jene Fernwärmeheizung, die Nordwesteuropa ein relativ warmes Klima beschert, seit Mitte des 20. Jahrhunderts deutlich abgeschwächt habe. Eine solche Abschwächung als mögliche Folge der globalen Erwärmung prognostizieren Klimamodelle schon seit längerer Zeit. Würde der Nordatlantikstrom komplett versiegen, könnten die Temperaturen in Europa der Studie zufolge sinken.
Der Nordatlantikstrom ist der nach Europa hinüberreichende verlängerte Arm des Golfstroms. Der eigentliche Golfstrom entsteht in der Karibik und verläuft von der Südostküste Nordamerikas entlang nach Norden, bis er sich etwa auf der Höhe Neufundlands auf den offenen Atlantik begibt. Bis zu diesem Punkt hat sich der Strom nach Ansicht der Wissenschaftler nicht abgeschwächt. Ab hier spaltet sich der Golfstrom in zwei Arme auf. Einer fließt als subtropische Rezirkulation wieder im Bogen zurück nach Süden, während der andere Arm als Nordatlantikstrom an der Westküste Europas entlang weiter nach Norden fließt. Die warmen Wassermassen dieses Stroms geben Wärme an die Luft ab, und zwar soviel, wie eine Million Kraftwerke produzieren würden. Dabei kühlt sich der Nordatlantikstrom langsam ab. Da kaltes Wasser schwerer ist als warmes, sinkt es und kehrt als kalte tiefe Strömung wieder nach Süden zurück. Und genau diese Rückströmung ist es, die den Wissenschaftlern Hannah Longworth, Harry Bryden und Stuart Gunningham von der Universität Southampton in Großbritannien Sorgen macht.
Messstation Teneriffa Für ihre Veröffentlichung in dem Wissenschaftsmagazin Nature haben die drei Briten die Strömungsverhältnisse im Atlantik auf einer Linie zwischen den Bahamas und Teneriffa gemessen und dabei festgestellt, dass im Jahr 2004 nur noch halb soviel kaltes Tiefenwasser nach Süden über den 25. Breitengrad geströmt ist wie noch im Jahre 1957. Gleichzeitig fanden sie viel mehr relativ warmes, oberflächennahes Wasser. Dieses Wasser ist mit der subtropischen Rezirkulation wieder in die tropischen Gewässer zurückgeflossen. Statt den Golfstrom also nach Norden zu verlassen und Europa zu erwärmen, strömt mehr warmes Wasser wieder nach Süden.
Ursachen Generell wird die Umwälzbewegung im Nordatlantik von der Temperatur und dem Salzgehalt des Wassers angetrieben. Denn nicht nur Kälte, sondern auch Salz erhöht die Dichte und damit das Gewicht des Wassers. Nun ist eine wahrscheinliche Konsequenz des Klimawandels, die Zufuhr von zusätzlichem Süßwasser in den nördlichen Teil des Atlantiks – durch höhere Niederschläge und das Abschmelzen des Grönland-Eisschildes. Dadurch verringert sich die Dichte des Wassers und es sinkt nicht so stark. Damit schwächt sich auch die Sogwirkung ab, die im Moment noch die warmen Wassermassen aus dem Süden nach dem Norden zieht. Die von der Temperatur und dem Salzgehalt angetriebene Zirkulation lässt nach. :hvw: Grundlagen Die Daten der Wissenschaftler stammen von Atlantiküberquerungen in den Jahren 1957, 1981, 1992, 1998 und 2004. Auf diesen Touren wurden etwa alle fünfzig Kilometer Wasserproben genommen, um die Temperatur und den Salzgehalt aus verschiedenen Tiefen zu messen. Daraus konnte man die Dichtungsunterschiede und damit die Strömungsrichtungen ablesen. Die Ergebnisse der ersten drei Expeditionen weichen einander wenig ab, aber 1998 und 2004 ist eine deutliche Abschwächung des Nordatlantikstroms erkennbar.
Im Rahmen eines neuen Forschungsprojekts sollen diese Erkenntnisse bestätigt werden. Bei der letzten Atlantik-Überquerung 2004 wurden 19 Messeinheiten entlang von 26,5 Grad nördlicher Breite im Meeresboden verankert. Diese liefern seitdem kontinuierliche Daten an die Forscher und es wird noch Jahre dauern bis ein eindeutiges wissenschaftliches Ergebnis vorliegt.