Das Ende ist mal wieder nah: Vulkanausbruch auf unserer Nachbarinsel Teneriffa
Mehr als 200 kleinere Erdbeben erschütterten seit Anfang des Jahres bereits den Norden von Teneriffa. Sie verliefen harmlos, sorgten jedoch für Beunruhigung in der Bevölkerung.
Die Bürgermeister der sechs besonders betroffenen Gemeinden trafen sich bereits zur Krisensitzung und erarbeiteten “Vorsorgepläne”. Auch der Leiter des Technologie-Instituts (ITER), Nemesio Perez, nahm an der Versammlung teil. Er leitet die Überwachung der Gasemissionen an den Punkten vulkanischer Aktivität auf der Insel und versicherte, dass kein akuter Grund für Beunruhigungen bestehe, da man über ausreichend Überwachungsmöglichkeiten verfüge, um den hypothetischen Ausbruch des Teide vorhersagen zu können. Der würde aller Wahrscheinlichkeit nach auch keinesfalls plötzlich und überraschend erfolgen.
Dennoch beschäftigt eine “vulkanische Krise” unsere Nachbarinsel. Die spanische Ausgabe des “National Geographics” widmete - wohl nicht so ganz von ungefähr -zwölf Seiten ihrer jüngsten Ausgabe dem Thema “Vulkanismus auf den Kanarischen Inseln”. Renommierte Wissenschaftler lassen sich da in epischer Breite über die akuten Gefahren einer Eruption aus.
Für uns nichts Neues. Muss wohl am Sommerloch liegen. Hatten wir nicht erst vor ein paar Jahren von dieser gewaltigen Flutwelle berichten müssen, die laut “wissenschaftlich berechneter Wahrscheinlichkeit” demnächst über uns hereinbrechen wird, wenn der Fuencaliente auf La Palma dort die halbe Insel ins Meer spült ?
Auch damals überschlugen sich die Boulevard-Blätter Europas fast vor sensationsgeiler Begeisterung.
Scheint so, als würde alle paar Jahre mal wieder eine neue wissenschaftliche Vulkansau durch die verschreckten kanarischen Dörfer getrieben. So auch jetzt mal wieder.
In den Straßen von La Laguna tauchten denn auch Protestplakate auf, die unter der markanten Überschrift “No a la erupcion del Teide” das Recht zum Leben forderten, allen Evakierungsplänen bereits im Vorfeld widersprachen, mehr tektonische Stabilität verlangten und sich gegen das Unerwartete wehrten.
Unterzeichnet war der Bürgerprotest von einer “Plattform gegen die nicht autorisierte Magmabewegung”.
Uns erinnerte die Aktion an die Forderung zum “sofortigen Ausstieg aus dem Sonnensystem”, mit der sich der “wahre Heino” seinerzeit in Kreuzberg um einen Sitz im Berliner Senat bewarb.
Humorlos reagierten die öffentlichen Stellen in Teneriffa. Sie ließen die Plakate auch gleich am nächsten Tag polizeilich entfernen.
Laut “Teneriffa-Magazin” führten erste Berichte über den bevorstehenden Vulkanausbruch in deutschen Medien bereits “zu einer wahren Stornierungswelle in der gesamten deutschen Reisebranche”. (Na, na !) Gerüchten zufolge hätte das wiederum zu Dumpingpreisen bei den Fluglinien von Deutschland zu den Kanaren geführt. (Schön wär´s ja).
Bestätigen aber mag das keiner. Im Gegenteil: Es wird sogar gemunkelt, dass die Flugpreise noch schneller explodierten als der Teide, “wenn es denn zu dem heiß erwarteten, heraufbeschworenen Naturschauspiel” käme.
Es soll bereits Veranstalter geben, die auf einen recht zahlungskräftigen “Katastrophentourismus” spekulieren - “auf Abertausende von Neugierigen, die um die halbe Welt reisen, um mal einen Vulkanausbruch, eine Erdbebenkatastrophe, den Weltuntergang aus nächster Nähe beobachten zu können”.
Hier täte sich für Gomera dann natürlich eine gewaltige Marktlücke auf, denn von wo aus könnte man den Ausbruch des Teide besser beobachten, als von unserem Nationalpark aus? Andererseits müssten wir uns dann natürlich überlegen, wie wir die Millionen Katastrophentouristen rein Infrastruktur-technisch auf unsere Insel kriegen. Zwar würde unser Flughafen mit Sicherheit endlich rentabel, aber er müsste wohl unter gigantischem Aufwand zum internationalen Flughafen umgebaut und erweitert werden.
Das wiederum würde dann wahrscheinlich so lange dauern, dass der Teide längst wieder erloschen, und die möglicherweise von Lavaströmen bedeckten Pauschalbunker von Playa de las Americas längst wieder ausgegraben wären, bevor der erste Katastrophen-Jumbo Landeerlaubnis auf dem schönen Aeropuerto de La Gomera bekäme.
Im Sinne der tinerfenischen Pauschal-Vermarkter ist all das natürlich nicht. Und es gibt inzwischen nicht wenige, die dem Vulkanisierungsgeschwafel die Schuld an der allgemeinen Tourismuskrise geben, die sich in jüngster Zeit auf den Inseln abzeichnet.
Und so versucht man alles, um die Gefahr eines Vulkanausbruchs möglichst aus der Diskussion (und den Spalten der Zeitungen) heraus zu halten. Klappt aber nicht. So schreibt Ulrich Wilbert im Editorial des “Teneriffa-Magazins” mutig: “Auf den Kanarischen Inseln ist, wie überall auf der Welt, nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Unsere Leser erwarten von uns, dass sie informiert werden und nicht Nachrichten zu unterdrücken oder zu verschlafen. Die Kanarischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs. Ein weiterer Ausbruch ist definitiv zu erwarten ...
Ja, der Tourismus ist wie ein scheues Reh, wir alle leben davon. Wir werden den Tourismus aber nicht fördern, indem wir Nachrichten unter den Tisch fallen lassen.”
Gut gebrüllt, Löwe. Dieser journalistischen Ehrenhaltung würde sich sicher auch der Valle-Bote gern in einem Editorial anschließen, obwohl wir dem “scheuen Reh” der tinerfenischen Tourismusindustrie mit Sicherheit weit weniger waidmännisch korrekt nachzustellen bereit sind, als unsere touristischen Mitbewerber in den höher entwickelten Amüsierzonen des Archipels.
Vielleicht würden wir da schon eher gegen die Schadenfreude anschreiben, oder gegen die Meinung Harry Herolds, der neulich fragte, ob es denn wirklich eine so große Katastrophe wäre, wenn Teneriffa nach einer Eruption des Teide von Lava überdeckt oder gar komplett im Meer verschwinden würde.
Schon die Frage allein halten wir nämlich für blanken Zynismus, und solcher hat - unsere Leser wissen und schätzen es - in den Spalten unseres seriösen Kommunikationsmediums nichts zu suchen.
Zwar würde ein vierfarbig explodierender Teide unsere Titelseite garantiert Auflage steigernd schmücken und unserer Bedeutung (”von Vueltas bis zu den Lofoten”) immens dienlich sein. Aber noch sind wir skeptisch, ob das denn tatsächlich während der kurzen Spanne unseres Lebens tatsächlich passiert. Schließlich rechnen Geophysiker ja in Jahrtausenden, und all die Katastrophen, die unserer Erde in diesen Zeiträumen (oder auch nicht) blühen, die bereiten uns nun wirklich keinerlei schlaflose Nächte. Andererseits ... Weiß man´s genau?