Zumindest für die Hauptinseln Gran Canaria und Teneriffa kann in Bezug auf die gesellschaftliche Ordnung der Altkanarier von einer Ständeordnung ausgegangen werden. Sie unterteilte sich in den Hochadel (Mencey) und dessen Familie, dem niederen Adel und den Gemeinen, sprich den überwiegenden Teil der Bevölkerung. Der Stand des Adels war nicht erblich bedingt, sondern konnte vielmehr durch persönliche Tugenden und „heldenhafte Taten“ erreicht werden. Von Privilegien des Adels ist überliefert, dass dessen Angehörige das Haar lang tragen durften, während die Gemeinen ihre Haare kurz geschoren trugen. Als niedrigste Sprosse der sozialen Stufenleiter galten die Tierschlächter. So wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Konquistadoren die spanischen Gefangenen zum Zeichen der Degradierung als Schlächter eingesetzt. Die Frauen waren in der altkanarischen Gesellschaft den Männern weitgehend gleichgestellt. Sie waren Kriegerinnen, Heilkundige, Handwerkerinnen sowie auch Richterinnen und als solche in der Rangordnung sehr hoch angesiedelt. Einige historische Hinweise sprechen dafür, dass die Sozialstruktur von matriarchalischen Elementen geprägt war. So war die Erbfolge nach der mütterlicher Linie geregelt.
Glaube und Totenkult
Anders als in archaischen Gesellschaften weit verbreitet, hatten die Altkanarier nicht ein ganzes Pantheon von Göttern, sondern sie verehrten mit Abora eine einzige Gottheit. Dem dualistischen Prinzip entsprechend hatte die gute Kraft Abora in Guayote einen bösen Gegenspieler. Guayote verkörperte das Schlechte und war verantwortlich für Unglück. Sein Zuhause sollen die Vulkankrater gewesen sein. Mit Ritualen und Opferkulten wurde versucht, die gute Gottheit Abora milde zu stimmen. Während lang anhaltender Trockenperioden soll ein Regenritual abgehalten worden sein. Dabei trennte man von Mutterschafen die Junglämmer, bis diese so jämmerlich blökten, dass sie das Mitleid der Gottheit erregten und Abora schließlich den ersehnten Regen schickte. Der Glaube an Abora hinderte die Altkanarier nicht, bestimmte „Naturwunder“ – Berge und Höhlen – als heilig zu verehren. Neben den Opferriten spielte auch der Totenkult eine große Rolle. Die Altkanarier beherrschten die Technik des Mumifizierens. Parallelen zum altägyptischen Totenkult liegen auf der Hand, obwohl sich die angewendeten Techniken unterschieden. So wurde auf den Kanarischen Inseln dem Toten weder die Eingeweide noch das Gehirn entfernt. Auch wurde der Tote nicht in so kunstvolle Bandagen gehüllt, wie dies am Nil üblich war.
Der französische Chronist Bory de St. Vincent beschrieb den Vorgang der Einbalsamierung wie folgt: „Zunächst wurde der Leichnam gründlich gewaschen. Dies geschah mit frischem Wasser, worin man soviel Salz auflöste, als dasselbe zu fassen vermochte. Die leeren Teile wurden mit aromatischen Pflanzen ausgestopft, worauf man den Leichnam der stärksten Sonnenhitze aussetzte. Während der Austrocknung überzog man den Leichnam mit einer gewissen Salbe, die aus Ziegenfett, wohlriechenden pulverisierten Pflanzen, Baumrinden, Harz, Lehm, Bimsstein und anderen absorbierenden Dingen bestand. Als konservierend wirkte auch das aus dem Drachenbaum gewonnene Drachenblut“. Alle Körperöffnungen wurden mit Bienenwachs verschlossen. Der Tote wurde abschließend in gegerbte Ziegenhäute eingewickelt und in eigens vorgesehenen Grabhöhlen aufrecht an der Wand stehend aufgebahrt. Viele der Begräbnishöhlen waren vermutlich Familiengrüfte. Die bereits bestatteten Toten in einer Höhle wurden einfach immer weiter nach hinten geschoben, um für neue Ankömmlinge in der anderen Welt Platz zu machen.
Die Leichenbestatter waren Angehörige einer besonderen Kaste, die auf Beerdigungen spezialisiert waren und abseits der anderen Menschen leben mussten. Bei den unteren sozialen Schichten wurden die Toten auf unfruchtbaren Lavafeldern mit Gesteinsbrocken bedeckt. Die Mumifizierung war nur Angehörigen der Oberschicht vorbehalten.