Diese Story habe ich zusammen mit der Chefredakteurin unseres hiesigen kleinen Inselblattes "MIRADOR" geschrieben, eine etwas gekürzte Version von mir erscheint diese bzw. nächste Woche im Wochenblatt. Aber lest selbst ...
Die Schiffbrüchigen von La Restinga
Das Cabildo weihte am 9. August in La Restinga einen kleinen Platz mit einer schlichten Gedenktafel für die drei Schiffbrüchigen des Ortes ein. Die 23 Jahre alte Geschichte dieser drei Männer kennt von uns Ausländern kaum einer. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beginnt La Restinga durch die Niederlassung einiger Familien aus La Gomera zum Fischerdorf zu werden. 1983 ist es ein verschlafenes Dorf, weit ab von allem, es gibt kaum Touristen und nur ein einziges Telefon im kleinen Laden, der auch das Postamt ist. Die wenigen Familien leben hauptsächlich von der Fischerei. Inoel und Benito beschließen, ein neues Boot zum Fischen zu kaufen. Gesagt, getan, sie fahren nach Tenerife, wo sie die gebrauchte „Moncho II“ erstehen. Für die Überfahrt nach El Hierro brauchen sie einen „Patron“ der über die nötigen Papiere verfügt, das neue, größere Boot nach El Hierro zu bringen. So rufen sie in La Restinga an und Freund Manolo begibt sich ebenfalls nach Tenerife. Am Freitag, den 21. Januar 1983 machen sich die drei Freunde mit der Moncho II auf die Fahrt von Los Cristianos nach la Gomera, wo sie gegen Mitternacht ankommen. Ein Telefongespräch mit La Restinga endet mit einem fröhlichen: „Bueno, hasta mañana!“ Am nächsten Vormittag verlassen sie kurz nach elf La Gomera in Richtung El Hierro. Für die kurze Fahrt hatten sie sich mit drei Broten, etwas Obst und einigen Litern Trinkwasser versorgt. Am Abend wollen sie ja zu Hause sein und mit ihren Familien essen. Doch es kommt anders: Das Getriebe streikt und gibt den Geist auf. Die Moncho II dümpelt manövrierunfähig auf dem offenen Meer. Noch heute ist Manolo fassungslos:“ Als es dunkel wurde, konnten wir auf El Hierro Autoscheinwerfer sehen, so nahe waren wir schon.“ Grosse Sorgen machen sie sich aber nicht, man würde sie schon holen kommen, schließlich wartet man ja auf sie. Doch wieder kommt es anders: Die Ankerkette reicht natürlich nicht bis zum Meeresgrund. Und es ist Calima, die Luft ist voll von Sahara-Staub und die Sicht schlecht. Am nächsten Morgen ist der Schrecken groß: Sie sehen kein Land mehr, sie sind weit nach Westen abgetrieben. In La Restinga wartetet man inzwischen auf die Heimkehrer am Strand, aber das Boot kommt nicht in Sicht. Langsam macht sich Unruhe breit. In La Gomera ist telefonisch nur zu erfahren, dass die Moncho II am Vormittag des Vortages ausgelaufen war. Die Freude verwandelt sich in Besorgnis und die Familien der drei Fischer alarmieren Rettungsmannschaften. Auf der Moncho II vertreiben sich die drei Männer die Zeit mit Reden, als sie plötzlich ein Flugzeug hören. Aber wieder haben sie Pech, durch den Calima sieht die Suchmannschaft das kleine Boot nicht und die Leuchtrakete steigt erst auf, als die Maschine schon zu weit weg ist. Manolo, Benito und Inoel beginnen zu begreifen, dass ihnen eine längere Zeit auf offenem Meer bevorsteht, sie rationieren die wenigen Essensvorräte und das Wasser. Und es ist ihnen klar, dass sie jetzt nur noch durch Zufall gefunden werden können. Über La Restinga liegen Ratlosigkeit und Angst, bedrückt stehen die Leute auf der Strasse, die Frauen kümmern sich um die Familien der verschollenen Fischer und machen ihnen Mut. Eine Messe wird gehalten. Die Postfrau versucht weiterhin, telefonisch etwas in Erfahrung zu bringen. Nichts. Niemand weiß etwas über den Verbleib des Bootes. Anita, die Frau von Manolo, verweigert das Essen, „solange unsere Männer da draußen sind und auch nichts zu Essen haben.“ Eine der Ehefrauen erleidet einen Nervenzusammenbruch. Aber noch wagt niemand ernsthaft an Schlimmeres zu denken. Auf der Moncho II schicken die drei Freunde ein Stossgebet zum Himmel, die Virgen scheint es erhört zu haben, kurz darauf erscheint tatsächlich ein Flugzeug, fliegt aber weiter, ohne das Boot gesehen zu haben. Die Tage werden immer länger, die Schiffbrüchigen versinken in Mutlosigkeit und geben die Hoffnung auf. Inzwischen steht in La Restinga das Leben still, niemand geht zum Fischen, die Menschen versuchen, sich zu trösten, schlafen kann niemand. Aller Neid und Zank unter den Familien ist vergessen. Die Blicke zum Horizont sind umsonst, es kommt kein Boot. Niemand glaubt, die Schiffbrüchigen je wieder zu sehen. Wie jeden Abend, seit sie ziellos im Meer treiben, gehen die Männer an Bord der Moncho II auch am Samstag den 29. Januar zeitig in ihre Kajüte und versuchen zu schlafen. Da, ein Motorengeräusch!! Die drei stürmen an Deck und trauen ihren Augen nicht. Ein Frachter! Freundlich und hilfsbereit nimmt die Besatzung des Frachters die Schiffbrüchigen an Bord und die Moncho II ins Schlepptau. Nach einem ausgiebigen Essen und einer Dusche erfahren die drei, dass sie nach allem Pech jetzt großes Glück hatten. Und dass sie sich etwa 180 Meilen nordwestlich von La Palma befinden. Der Frachter, die algerische „Nedroma“ mit Kurs auf den Hafen von Baltimore, USA, hätte bei besserem Wetter eigentlich eine andere Route genommen. Die geladene Fracht muss so schnell wie möglich nach Baltimore, also müssen die drei Herreños mit. Der Kapitän der Nedroma sendet sofort einen Funkspruch und kurz darauf ist die kanarische Regierung informiert, dass die drei Vermissten am Leben sind. Aber es wird Montag Früh, bis das erlösende Telegramm in La Restinga ankommt: „Gerettet von einem Schiff. Wir leben! Nehmen Kurs auf Amerika.“ In La Restinga bricht Jubel aus. Die wenigen Autos vom Dorf fahren hintereinander laut hupend durch die Strassen. Auf der ganzen Insel bekommen die Kinder schulfrei. Alle auf der Insel verfügbaren Busse bringen Herreños zur Ermita in die Dehesa, damit die Menschen der Jungfrau ihre Dankbarkeit zeigen können. Anita, die Frau von Manolo sagt mir beim Interview: “Die Virgen hat geholfen, anders ist es nicht möglich.“ Ich sehe ihr an, dass sie es so meint. Anita hat auch ein Gelöbnis abgelegt. Sollte ihr Mann gerettet werden, will sie auf Knien von La Restinga zur Ermita gehen. Schmunzelnd, so als glaubt sie es selber nicht so ganz, sagt sie heute: „Der Bischof hat das nicht erlaubt. Aber ich bin den ganzen Weg gegangen, barfuss.“ Während ganz El Hierro im Freudentaumel ist, werden die drei aus La Restinga von der spanischen Botschaft in einem Hotel in Baltimore untergebracht. Die Besatzung der Nedroma hat 100 $ für sie gesammelt und von der Botschaft bekommen sie 400 $. Ein schwerer Schneesturm verzögert den Heimflug. Erst am 14. Februar landet die kleine Fokker Friendship mit den drei Helden an Bord auf dem Flugplatz von El Hierro. Der Empfang ist überwältigend: Die ganze Insel ist gekommen, Arme strecken sich den Männern entgegen, als sie die Flugzeugtreppe herunterkommen, Tränen fliessen und Gebete werden gesprochen. Manolo sieht das Ganze heute mit Humor: „Es hat wohl noch niemand von La Gomera nach El Hierro fast einen Monat gebraucht“ Franco aus La Restinga danke ich sehr, er hat mir den Film "Los Naufragos de La Restinga" zur Verfügung gestellt. Ohne ihn hätte ich diese Geschichte nicht so schreiben können. Der Film wurde nach der Rettung vom spanischen Fernsehen mit den Betroffenen selber und den Leuten von La Restinga gedreht.
wow, ich habe echt tränen in den augen gehabt. sehr schön geschrieben und eine tolle geschichte - was heißt toll. am anfang war die geschichte natürlich nicht so toll was ihnen passiert ist, aber am ende ist ja alles gut gegangen und unter anderem hatten sie noch einen ausflug nach amerika...obwohl sie sicherlich lieber bei ihren familien gewesen wären in der zeit, aber hauptsache sie wurden gerettet. grinsen musste ich bei Manolos aussage
ZitatEs hat wohl noch niemand von La Gomera nach El Hierro fast einen Monat gebraucht
aber echt fantastisch wie die ganze insel den empfang bereiteten. toll.
Manolo ist eh ein Original. Sowas wie den findeste nicht nochmal. Ich hatte auf Bitten von Susie das Interview mit ihm und seiner Frau Anita arrangiert.
Er war schon damals bei den ersten "Pressekonferenzen" immer der Wortführer, ich habe das ganze Filmmaterial hier, hatte es erst kürzlich für die Familien der Schiffbrüchigen von Video auf DVD kopiert - was auch DRINGEND nötig war, denn die Video-Bänder sind über 20 Jahre alt und drohen zu zerfleddern.
Einer der beiden anderen Schiffbrüchigen (Inoel) ist übrigens der Großvater von meiner Patentochter Tatiana.
Die Geschichte bewegt heute noch die Gemüter hier und ich finde es absolut angemessen, daß die kleine Plaza daran erinnert. Eine wirklich schöne Idee des Cabildo Insular !!