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Neues Gesetz zum Schutz von Hypothekenschuldnern in Kraft getreten
Gestern ist ein wichtiges Gesetz zum Schutz von Hypothekenschuldnern, die ihre Hypotheken nicht zurückzahlen können, in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist nicht zuletzt durch die Zivilcourage einiger Richter zustande gekommen, die in der jüngsten Vergangenheit mehrfach Hypothekenverträge als unsittlich und somit hinfällig erklärten und den Schuldnern hierdurch eine Zwangsräumung erspart haben.
Mit dem Thema Zwangsräumungen hat sich mein Kollege Lothar Lenzer in seiner Zeitschrift Boulevard Gran Canaria wie folgt auseinandergesetzt: Richter als kleiner Volksheld
Auf den Kanarischen Inseln ist der Richter Juan José Cobo Plana ein kleiner Volksheld, seitdem er den Fußball-Club U.D. Las Palmas als Konkursverwalter vor dem Verschwinden gerettet hatte. Jetzt übt er sein Amt auf der kleinen Insel Lanzarote aus und redet auch dort konsequent Klartext. Erst kürzlich hat er die Hypothek eines Inselbewohners annulliert, der kurz vor der Zwangsräumung stand.
In der Begründung machte er aus seinem Herzen keine Mördergrube. In seinem Gerichtshof Nummer 4 in der Inselhauptstadt Arrecife stellte Juan José Cobo Plana in seinem Urteil fest, dass die Verzugszinsen der Bank BBVA mit 19 Prozent „missbräuchlich und widerrechtlich” sind. Damit ist die Hypothek annulliert, die Zwangsräumung fällt aus.
Doch der Señor Richter sah wohl die Gelegenheit, noch ein bisschen mehr Klartext zu reden. Also geißelte er den „unmoralischen Missbrauch der Bank, der von der Justiz weder unterstützt noch geduldet werden” kann. Die Banken, so Juan José Cobo, hätten „entscheidend zur Krise beigetragen, unter der dieses Land und viele andere Länder leiden”.
Ihr „unmäßiger Ehrgeiz, Geschäft und Gewinne zu erhöhen”, sei daran schuld, meint der Richter im Urteil. Und weiter: „In diesen Zeiten gibt es, außer der kompromisslosen Bereicherung der Banken, nicht eine einzige Rechtfertigung dafür, höhere Verzugszinsen anzusetzen als 1% über dem normalen Prozentsatz.”
Juan José Cobo stützte seinen Richterspruch auf die Watsche aus Luxemburg, die neulich in Spanien eingeschlagen war und über die wir unter der Überschrift „EU-Gerichtshof erklärt spanisches Zwangsräumungsgesetz für widerrechtlich” berichtet hatten. Andalusische Regierung enteignet Banken
„Heute sagen wir basta! Bis hierhin und nicht weiter!”, hatte Elena Cortés, die zuständige Ministerin Andalusiens von der Izquierda Unida (IU), in Sevilla keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit gelassen. Bereits Mitte April trat in Andalusien ein Gesetz in Kraft, dass es erlaubt, Banken zu enteignen, um Zwangsräumungen zu vermeiden. Ein Meilenstein in Spanien!
Die andalusische Regierung, gebildet aus den Sozialdemokraten (PSOE) und den Linken (IU) hat ab sofort die Möglichkeit, Banken zu enteignen. Für die Maximaldauer von drei Jahren wird den Banken staatlicherseits das Gebrauchsrecht für ihre Wohnungen entzogen, wenn Zwangsräumungen anstehen und die Bewohner bestimmte Bedingungen erfüllen und in der Gefahr sind, ins soziale Abseits zu geraten.
Außerdem werden ab jetzt Geldstrafen bis zu 9.000 Euro für Banken verhängt, wenn sie ihre Immobilie nicht vermieten.
Die Regierung Andalusiens hatte keine Lust mehr darauf zu warten, dass die konservative Regierung in Madrid das neue Hypothekengesetz durchs Parlament bringt – dessen Ausgestaltung sie bereits zu kennen befürchtet.
Elena Cortés hatte ab ihrem Amtsantritt ihr Hauptaugenmerk auf den Kampf gegen die Zwangsräumungen gelegt, denn Andalusien verzeichnet seit 2007 die erschreckende Zahl von 86.000 Zwangsräumungen, während es aktuell zwischen 700.000 und einer Million leerer Wohnungen gibt.
Der neue Sanktionskatalog lässt bewusst Privatpersonen unberücksichtigt, die unbenutzte Wohnungen besitzen. Stattdessen werden ihnen steuerliche Vorteile zugesichert, wenn sie vermieten.
Ansonsten aber geht es zur Sache. Eine neue Datenbank unbenutzter Wohnungen liefert die Grundlage für Sanktionen, die in leichte, schwere und sehr schwere Fälle unterteilt werden.
Banken, die die in ihrem Besitz befindlichen Wohnungen nicht zur Vermietung anbieten, werden mit 9.000 Euro Geldstrafe pro Fall belegt. Touristische Objekte sind davon nicht betroffen. Wenn „soziale Notfälle” vorliegen, werden die Banken über maximal drei Jahre enteignet: Ihnen wird jeglicher Zugriff und der Gebrauch der Immobilien untersagt, um Zwangsräumungen unmöglich zu machen. Dazu müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein:
- Einziger Wohnsitz der Familie,
- Höchsteinkommen,
- nachweisbare Verarmung seit der Unterschrift unter die Hypothek und
- das Risiko, ins soziale Abseits abzugleiten.
Diese Initiative wird dann passieren, wenn die Banken die entsprechende Wohnung mit einem Embargo belegt und diese nach einer öffentlichen Versteigerung als Eigentümer übernommen haben.
In diesem Fall zahlt die Landesregierung der Bank pro Jahr zwei Prozent des Betrages, den die Bank als Übernahmewert eintragen ließ.
Die Ministerin hat bereits 119 Fälle notiert, auf die sich diese Regelung sofort umsetzen lässt.
Elena Cortés hat keinerlei Sorge, dass das neue Gesetz angefochten werden könnte: „Das haben wir vorher so wasserdicht gemacht, dass jeder Versuch zwecklos ist.”
Die Regierungspartei in Madrid spuckt natürlich Feuer angesichts dieses neuen Gesetzes. Das sei „alles juristisch gar nicht abgesichert” und außerdem „pures Oppositionstheater, das auf Wahlstimmen aus ist” im von PSOE und IU gemeinsam regierten südlichen Landesteil. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Selbstverständlich gefällt es den Madrider Oppositionsparteien der konservativen PP mit ihrer absoluten Hauptstadt-Mehrheit zumindest im Süden gehörig in die Kniekehle zu treten. Logischerweise dürfte das in gewissen Kreisen auch Stimmen bringen (wie es in anderen Kreisen Stimmen kosten wird). Doch scheint man in Madrid von der andalusischen Realität keinen Schimmer zu haben.
Das neue Gesetz ist fast zu 100 Prozent von der IU entwickelt und befördert worden. Die PSOE – eher eine zahnlose Opposition zur konservativen PP-Regierung in Madrid – darf man in dieser Sache getrost als Anhängsel betrachten, das sich in die Entschlossenheit der Linken dankbar eingeklinkt hat, ohne dafür mehr als den Abstimmungsfinger im Länderparlament zu rühren.
Die Führungsfigur der IU in diesem Thema, Elena Cortés, unterschätzt die PP allerdings gewaltig. Die Ministerin beschäftigt sich seit Monaten mit Akribie mit diesem Gesetz, ist wahrnehmbar zornig angesichts tausender Zwangsräumungen und der sozialen Ungerechtigkeit und hat Tag und Nacht gearbeitet, um genau diesen Text durch das andalusische Parlament zu bringen.
Für sie ist es ein ganz persönliches Anliegen, „weil die aktuelle Situation mit dem Gewissen nicht mehr in Einklang zu bringen ist und um jeden Preis sofort gestoppt werden muss”.
An dieser Politikerin, die sich weit mehr als soziale Aktivisten denn als Verwalterin sieht, wird sich der Kürzungs- und Streichungschef in Madrid noch mehr als einmal die Zähne ausbeißen. Richter planen gemeinsame Strategie gegen Zwangsräumungen
Wo die Politik hemmungslos versagt, muss es jemand anders regeln!
So denken auch die Richter Spaniens aktuell und versuchen eine gemeinsame Strategie zu finden, um weitere Zwangsräumungen auszubremsen. Vorrangig im Internet diskutieren sie sich die Köpfe heiß und nehmen das jüngste EU-Urteil als Basis der Aktion.
Wichtig ist, dass ein abgestimmtes Modell dabei herauskommt, damit sich zukünftige Gerichtsurteile nicht widersprechen.
Die Initiative der Richter ist ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
In den professionellen Foren der spanischen Jurisprudenz kursiert ein Muster-Urteil, welches von Richter Guillem Soler (Juzgado de Primera Instancia Número 1 de Barcelona) stammt. Viele seiner Kollegen sehen genau dieses Urteil vom 9. April als perfekte Blaupause an, um diejenigen Verfahren zu stoppen, die aktuell viele Menschen mit der Zwangsräumung bedrohen.
„Es braucht jetzt dringend so ein Instrument”, erklärt ein Richter aus Madrid, „wir befinden uns nach dem EU-Urteil in einem legalen Vakuum und einem Zustand juristischer Unsicherheit. Die Regierung ist jetzt verpflichtet, das Gesetz zu ändern. Aber bis das passiert, können und wollen wir nicht warten.”
Vor allem die unverschämt hohen Verzugszinsen bei den Hypothekenzahlungen will man attackieren. Deswegen diskutieren die Richter im Netz, ab welchem Wucher-Zinssatz man die Verträge für illegal erklären soll. Man will eine entsprechende Empfehlung an alle Kollegen schicken, um sich widersprechende Urteile zu vermeiden.
Die ersten Fortschritte sind bereits erreicht. Die Richter haben es bereits ermöglicht, dass die Hypothekenzeichner vor Gericht ihr Interesse vertreten können: Sie bekommen jetzt eine schriftliche Information ausgehändigt, welche ihnen erklärt, wie sie aufgrund des EU-Urteils gegen widerrechtliche Klauseln vorgehen können. Bei den Prozessen, die bereits kurz vor der Zwangsräumung stehen, räumen die Richter dem Schuldner eine Extra-Frist von zehn Tagen ein, damit sie diese Klauseln in ihren Verträgen identifizieren und in das Verfahren einbringen können.
Außerdem werden in den Internetforen alle Richter dazu angehalten, dem Beispiel einiger weniger Kollegen zu folgen, die das bereits seit Juni praktizieren:
Sie handeln selbstständig und stellen selbst die Existenz solcher widerrechtlicher Klauseln fest, auch wenn der Schuldner das im Prozess nicht einmal bemängelt. Das ist zwar im spanischen Gesetz so nicht vorgesehen, ist aber unanfechtbar, wenn ein Richter es so entscheidet und die Initiative ergreift.
„Das konnte so nicht weitergehen”, schüttelt ein Richter von Mallorca den Kopf, „ganz Spanien hat darauf gewartet, dass sich die EU zur nationalen Rechtslage äußert. Die neuen Kriterien werden bereits angewendet. Wenn wir feststellen, dass es widerrechtliche Zinssätze gibt, verschwinden die Verzugszinsen komplett, sie werden auf null gesetzt. Das ist auch in Ordnung so, denn der spanische Gesetzgeber hat seinen Job nicht gemacht! Wir suchen improvisierte Lösungen bis das neue Gesetz kommt.”
Dass er kein bisschen Vertrauen in dieses neue Gesetz hat, das in Arbeit sein soll, will er keinesfalls gedruckt sehen, wenn sein Name genannt wird – also bleibt der Name weg, der Satz nicht.
In Bilbao haben die Richter bereits im vergangenen November begonnen, die Zwangsräumungsprozesse „unter den Stapel” zu legen, als die Madrider Regierung ein Dekret eiliger Maßnahmen ankündigte.
„Seitdem haben wir praktisch keiner Räumung von Erstwohnungen mehr zugestimmt”, erklärt der Dekan Alfonso González-Guija, „aber ich spüre Verwirrung um mich herum, was soll man genau tun? Daher die absolute Notwendigkeit zur Koordination.”
Die Diskussion im Netz ist intensiv und leidenschaftlich. Viele Richter wollen dieses
Luxemburger Urteil unbedingt dazu benutzen, alle Zwangsräumungen jetzt sofort auszubremsen, während einige „Traditionalisten” dafür plädieren, die bisherigen Gesetze anzuwenden, bis die konservative Regierung in Madrid einen neuen Gesetzestext präsentiert.
„Es ist alles in Ordnung so”, meinte dieser Richter aus Madrid, „die Gespräche sind sehr interessant und engagiert. Es gibt jetzt eine intensive Kommunikation unter all den Richtern, die das Problem erkannt haben. Das kann nur richtig sein!” Auch auf den Kanarischen Inseln werden die Banken enteignet
4.100 Familien haben auf den Kanarischen Inseln bereits ihre Wohnung verloren, weitere 9.400 stehen kurz vor der Zwangsräumung. Angesichts dieser Situation hat die Regierung der Kanaren nun beschlossen, dass andalusische Gesetz zu kopieren und die Banken in gleicher Weise zu enteignen. Paulino Rivero (Coalición Canaria), der Regierungschef des Archipels, kündigte heute an, man werde „jetzt sofort ein Gesetz auf dem eiligen Dienstweg auf den Weg bringen, welches den Banken das Gebrauchsrecht der Wohnungen für drei Jahre entzieht”, genauso wie das in Andalusien bereits passiert ist.
Das Gesetz wird praktisch gleich lauten wie die Version, die wir in unserem Artikel zuvor schon beschrieben hatten.
Laut dem kanarischen Regierungschef wurde das andalusische Dekret von den Juristen der Inseln überprüft und „erscheint sowohl in der Substanz als auch bezüglich der Verfassungsmäßigkeit als geeignetes Instrument, um eine Antwort auf ein soziales Problem zu geben, das tausende von Familien betrifft”.
Den Banken werden die Wohnungen über drei Jahre entzogen. Die Mieter müssen höchstens 25% ihres Familieneinkommens für Miete und Nebenkosten bezahlen. Wohnungen, die nicht zur Vermietung frei sind, werden mit einer Strafzahlung belegt.
Veröffentlichung der Texte und des Fotos mit freundlicher Genehmigung der Boulevard Gran Canaria, Lothar Lenzer.